Mit Hypnose ist alles möglich?

im Unterbewusstsein korrigiert werden könnten. Doch ist das wirklich so? Lassen sich mit Hypnose alle Symptome verändern, indem wir einfach unser „Unterbewusstsein“ wie einen Computer „umprogrammieren“?

Eines vorweg: Als Hypnosetherapeut halte ich Hypnose in der Psychotherapie und Medizin für eine oftmals sehr hilfreiche Methode. Gleichzeitig stehe ich Aussagen wie „mit Hypnose ist alles möglich“ sehr kritisch gegenüber. Denn sie stehen einem Denken nahe, das man leider nicht nur in der Heiler oder Esoterik-Szene beobachten kann, sondern auf das man leider auch bei bestimmten Medizinern oder Psychotherapeuten stößt: Die Ursache von Krankheiten wird allein auf die Wirkung des Geistes zurückgeführt. Folglich lassen sich die Symptome durch „positives Denken“ verändern. Patienten, denen das nicht gelingt, haben den sprichwörtlichen schwarzen Peter. Denn wenn mit der Methode „alles möglich“ ist, dann haben sie sich nur nicht ausreichend angestrengt, nicht richtig mitgearbeitet, nur nicht ausreichend geglaubt. Doch was ist die Konsequenz dieser fragwürdigen therapeutischen Haltung? Die Patienten leiden nicht nur unter den Symptomen ihrer Krankheit, sondern zusätzlich unter ihrer Scham, die sie von der Gemeinschaft trennt.

Ja, vielleicht ist mit Hypnose manches oder gar vieles möglich, was uns vorher unmöglich erschien. Vielleicht ist manchmal auch viel mehr möglich, als uns im Moment bewusst ist. Doch zweierlei, finde ich, dürfen wir nicht vergessen: Erstens sind wir als Individuums Teil eines komplexen sozialen Systems. Wir sind Teil einer Gesellschaft, die unsere Möglichkeiten der individuellen Freiheit begrenzt. Wir sind als Menschen auf andere angewiesen. Wir können nicht immer tun, was wir gerne tun würden. Aber nicht nur das. Denn zweitens legt uns auch unsere Existenz als Mensch Grenzen auf. Wir sind sterbliche Wesen. Alter, Krankheit und Tod sind Teil unseres Mensch-Seins. Niemand kann Unsterblichkeit mit Hypnose erlangen. Die Aussage „Alles ist möglich mit Hypnose“ halte ich für eine Form des Größenwahns. Sie ist verständlich vor dem Hintergrund eines technokratisches Machbarkeits-Denkens, das unsere Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten in vielen Bereichen prägte.

Nur am Rande sei außerdem bemerkt: Unser Gehirn ist kein Computer, der sich nach belieben umprogrammieren lässt. Die Metapher ist schlicht und ergreifend falsch. Unser Gehirn funktioniert nicht wie eine Maschine.

Ich bin der Meinung, dass es gerade in der Psychotherapie darauf ankommt, den hilfesuchenden Menschen auf einer Ebene des Mensch-Seins zu begegnen und ihnen signalisieren: Du gehörst dazu. Du bist nicht allein mit Deinem Leiden. Es liegt nicht alles allein in Deiner Macht. Ja, manchmal fühlen wir uns eben machtlos, zweifeln und hadern, fühlen uns schwach und ausgeliefert – nicht nur Du allein. Ich finde, gerade uns Ärzten, Psychotherapeuten und Heilern würde im Angesicht existenzieller Grenzen manchmal ein wenig mehr Demut gut zu Gesicht stehen. Vielleicht wäre dann etwas möglich, was Heilung auf einer anderen Ebene möglich werden ließe: Heilung in der menschlichen Begegnung und Versöhnung mit dem, was unser Da-Sein begrenzt.

Zum Weiterlesen:

• Detlev Kranz (2004): Schwarze Psychosomatik
• Frank-M. Staemmler (2000): Verantwortung: Fähigkeit und Freiheit zu antworten.
• Funktioniert das Gehirn wirklich wie ein Computer?
• John R. Searle (2006): Geist. Eine Einführung.