Sonntag, 29 September, 2019
Der Burnout des Sisyphos
„Warum muss ich meine Hände waschen? Nach dem Spielen sind sie wieder schutzig. Warum soll ich mein Zimmer aufrämen, zum Spielen brauche ich meine Steine nachher wieder.“ Kinder können grausam sein. Sie konfrontieren uns auf ihre unschuldige Art immer wieder auch mit den Grundfragen des Lebens. Warum gegen das Chaos kämpfen, wenn die
Ordnung nur ein vorübergehender Zustand ist? Am Rande eines Burnouts mag man sich verzweifelt fragen: Warum überhaupt aufstehen, jeden Tag zur Arbeit gehen und dann am Abend müde und erschöpft ins Bett zu fallen, wenn am nächsten Tag das gleiche Spiel von neuem losgeht? Wie ein Hamster im sprichwörtlichen Hamsterrad. Oder eben wie Sisyphos in der griechischen Sage.
Sisyphos wurde von den Göttern dazu verdammt, einen großen schweren Felsbrocken einen Berg in der Unterwelt hinauf zu wälzen. Doch sobald Sisyphos mit seinem Stein oben ankommt, rollt dieser unbarmherzig wieder hinab in die Tiefe, worauf sich Sisyphos an den Abstieg macht, nur um seine Arbeit wieder aufzunehmen. Bis in alle Ewigkeit.
Die Frage, die bei alledem mitschwingt: Welchen Sinn hat mein Leben? Doch wie sinnvoll ist diese Frage nach dem Sinn eigentlich selbst? Der deutsche Philosoph Friedrich Nietzsche meinte, dass der Wert des Lebens nicht bemessen werden kann, weil es selbst die Bedingung für die Möglichkeit des Beurteilens ist und somit selbst nicht bemessen werden kann. Anders gesagt: Das Leben ist eine Tatsache. Der Sinn des Lebens ist das Leben selbst.
Für den französischen Philosophen und Literaturnobelpreisträger Albert Camus bestand das Absurde darin, dass einerseits der Mensch berechtigterweise nach einem Sinn für seine Existenz sucht, er andererseits mit der Sinnlosikgkeit der Welt konfrontiert ist. Der Mensch sehnt sich nach einem Sinn in der Welt und die Welt verwehrt ihm die Antwort.
Camus sieht die Lösung dieses paradoxen Dilemmas im Annehmen der Absurdität und der ständigen Revolte dagegen: Man weiß, dass das Leben für sich genommen keinen Sinn hat. Man versucht dieser Tatsache auch nicht zu entfliehen durch einen Sprung in die Zuflucht zu metaphysischen, ästhetischen, religiösen oder rationalistischen Rettungsangeboten. Dies käme einer Vermeidung bzw. Verdrängung gleich. Stattdessen revoltiert man trotzig gegen die Absurdität des Lebens, an dessen Ende unausweichlich der Tod steht, indem man sich dem Leben zuwendet. Auf diese Weise gleicht der Mensch nach Camus Interpretation der mythologischen Figur des Sisyphos, der sich gerade in der beharrlichen Sinnlosigkeit seines Tuns selbst zu verwirklichen scheint. Er sagt „ja“ zu seiner Aufgabe, er kehrt immer wieder zu seinem Stein ins sprichwörtliche Tal zurück, er beginnt von neuem. In seinem Buch „Der Mythos des Sisyphos“ kommt Camus zu dem Schluss: „Der Kampf gegen Gipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen. Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.“
Beschäftigen Sie sich mit Fragen nach dem Sinn Ihres Lebens? Fühlen Sie sich ausgebrannt durch die Anforderungen in Beruf und/oder Familie? Dann rufen Sie mich an und vereinbaren einen Termin für ein erstes unverbindliches Gespräch. In Psychotherapie, Beratung und Coaching können Wege gefunden werden, einen drohenden Burnout zu verhindern oder aus ihm heraus zu finden.
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