Sonntag, 21 August, 2016
Ab heute wird gebloggt. Subjektiv
Ab heute wird gebloggt. Mal tief gehend, mal oberflächlich, mal informativ, mal spekulativ – auf jeden Fall immer subjektiv. Ganz, wie es mir in den Kopf kommt. Wobei ich schon beim ersten Thema wäre, mit dem ich mich gerne auseinander setze, wie vielleicht viele Psychologen und Psychotherapeuten in Nürnberg: Gibt es überhaupt eine objektive Sicht?
Warum sich ein Teil der Zunft der Therapeuten der Psychotherapie damit beschäftigt, ja eigentlich beschäftigen muss, liegt auf der Hand: In einer Psychotherapie geht es unter anderem darum, den Patienten zu unterstützen, neue Perspektiven zu entwickeln und ihm dadurch soweit zu einer Veränderung seiner Gefühle und Verhaltensweisen zu verhelfen, dass er sich besser fühlt und er mit seinem Leben besser zurecht kommt. Der Patient verändert sein Weltbild und weil er sein Weltbild verändert, verändert er sein Verhalten, und dadurch reagieren andere Menschen anders auf ihn, so dass sich mit seinem veränderten Weltbild auch die Welt tatsächlich ein Stück weit verändern kann. Was dabei zuerst kommt, also die Verhaltensveränderung oder die Veränderung des Weltbildes, das ihm ermöglicht, sein Verhalten zu verändern, ist im Prinzip einerlei. Kein Wunder also, dass so mancher Psychotherapeut mit einer philosophischen Richtung liebäugelt, die sich Radikaler Konstruktivismus nennt.
Vertreter des Radikalen Konstruktivismus sind der Auffassung, dass die Wahrnehmung keine vom Bewusstsein unabhängige Realität liefert. Die Realität, wie wir sie erleben, sei vielmehr das Resultat aus dem, was das Gehirn mit den Sinnenreizen der Sinnesorgane macht. Die Realität wäre also immer eine Konstruktion. Wie jeder einzelne seine Welt konstruiert ist demnach nicht nur davon abhängig, was er sieht, hört, riecht, schmeckt oder ertastet, sondern auch, wie er diese Sinnenreize kognitiv und emotional bewertet. Diese Bewertung wiederum ist beeinflusst durch das, was wir im Laufe unseres Lebens bewusst oder unbewusst gelernt haben. Da Lernen aufgrund der Veränderungsfähigkeit unseres Gehirns bis zum Lebensende möglich ist und eigentlich ständig geschieht (Neurologen nennen das Neuroplastizität), ist es demnach auch möglich die Konstruktion unseres Weltbildes zu verändern.
Der Psychologe und Psychotherapeut Paul Watzlawick, wohl einer der bekanntesten Vertreter des Radikalen Konstruktivismus, unterscheidet in „Wirklichkeit erster Ordnung“ und „Wirklichkeit zweiter Ordnung“. Ich will das anhand eines Beispiels verdeutlichen: Eine rote Ampel irgendwo in Nürnbergn. Das Licht der Ampel fällt auf die Netzhaut des Auges, wird durch die Rezeptoren in Nervenimpulse umgewandelt und an unser Gehirn weiter geleitet. Da wir als Menschen ähnliche Sinnesorgane besitzen, nehmen wir diese Farbe ähnlich wahr. Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir diese Farbe mit dem Wort „rot“ benennen. Dass die Ampel „rot“ ist, wäre die „Wirklichkeit erster Ordnung“. Die Wirklichkeit zweiter Ordnung ist nun die Bedeutung, die wir diesem Umstand geben: Rot bedeutet, dass wir stehen bleiben. Wir haben eine Deutung vorgenommen. Vielleicht gibt es Länder, in denen die Menschen bei grün stehen bleiben und bei rot über die Straße gehen. Allerdings ist streng genommen schon vorher ein Deutungsvorgang passiert, nämlich dass wir das Licht dieses Spektrums als „rot“ bezeichnen.
Die buddhistische Nonne Ayya geht noch ein Stück weiter. In einem Vortrag sagte sie einmal: „Wir sind alle voneinander abhängig. Die heutige Quantenphysik hat uns gezeigt, dass es überhaupt keinen Beobachter mehr gibt, nur noch Teilnehmer. Interaktion […] Wir sind Teilnehmer miteinander. Wir glauben immer zu beobachten. Aber das, was wir beobachten ist bereits ein Teil von uns. Und wir können es überhaupt nur beobachten, weil es ein Teil von uns ist.“
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