Donnerstag, 16 Mai, 2019
Aufräumen mit Kindern – Muster verändern
Warum muss Aufräumen immer mit Unlust, Ärger und Streit verbunden sein? Das dachte ich mir vor einiger Zeit, als die beiden Kinder sich beim Aufräumen des Kinderzimmers wie üblich in die Haare bekommen hatten. Mit Druck und Schimpfen erreichen wir hier nur, dass ein unangenehmes Gefühl mit dem Aufräumen verbunden wird. Der Mecha-
nismus, der dabei zum Tragen kommt, ist in der Lehrtheorie als Konditionierung beschrieben worden. Wenn bei einer Situation wie z.B. dem Aufräumen durch bestimmte Umstände immer oder sehr häufig unangenehme Gefühle wie z.B. Ärger hervorgerufen werden, dann reicht es irgendwann aus, wenn durch den bloßen Gedanke an die Situation ein unangenehmes Gefühl entsteht.
Circulus vitiosus
Schlimmstenfalls ergibt sich ein Teufelskreis: Der Gedanke an die Situation führt dazu, dass unangenehme Gefühle wach werden und man sich diesen Gefühlen entsprechend verhält – eben so, wie man es irgendwann einmal gelernt hat. Dieses Verhalten lässt wiederum eine bestimmte, ebenfalls erlernte Reaktion des Umfelds wahrscheinlich werden (z.B. Schimpfen), die dann die unangenehmen Gefühle noch verstärkt.
Interpunktion – Wenn das Ende der Anfang ist
Die „Schuldfrage“, wer angefangen hat, ist dann irgendwann unerheblich. Es ist wie mit der Henne und dem Ei. Der Psychologe, Psychotherapeut und Kommunikationsforscher Paul Watzlawick formulierte es so: „Die Natur einer Beziehung ist durch die Interpunktionen der Kommunikationsabläufe seitens der Partner bestimmt.“ Das heißt: Es ist eine Frage der subjektiven Betrachtung, wo man bei zirkulären Prozessen den Anfangspunkt sehen will.
Verhaltensmuster verändern
Wie kommen wir nun aus diesem Dilemma? Indem wir uns anders verhalten, als wir es gewohnt sind bzw. ursprünglich gelernt haben. Als denkende Wesen sind wir Menschen dazu grundsätzlich in der Lage. In der Aufräumsituation mit den Kindern habe ich das gelöst, indem ich das Spiel des Aufräumroboters erfand.
Der Aufräumroboter
Als Aufräumroboter machte ich, im Kinderzimmer sitzend, immer dann eine lustige Grimasse, wenn eines der beiden Kinder mir nach dem Aufräumen eines Gegenstands auf die Nase drückte. Was glauben Sie, wie das Aufräumen auf einmal Spaß machte!
Wir können lernen, dass wir auf Situationen und Gefühle Einfluss nehmen können
Natürlich kann ich nicht immer, wenn die Kinder ihr Zimmer aufräumen sollen, den Clown im Gewand des Aufräumroboters spielen. Und die Gefahr, in alte Muster zu fallen, ist groß. Irgendwann werden die Kinder hoffentlich lernen, eigenverantwortlich aufzuräumen – am besten, indem sie die Sinnhaftigkeit erkennen und verstehen. Doch wenn es uns zusammen immer mal wieder gelingt, die Tätigkeit so zu gestalten, dass es nicht zu der üblichen Missstimmung kommt, dann kann das Bewusstsein entstehen, dass ein bestimmtes Muster auch verändert werden kann. Wir lernen dabei, dass wir grundsätzlich Einfluss auf Situationen und auf unsere Gefühle nehmen können.
Haben Sie eingefahrene Verhaltensmuster, die Sie gerne verändern möchten? Psychotherapie und Coaching können Ihnen dabei helfen.
3 Kommentare »»
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Kommentar von Michael Schramm - 17. Mai 2019 um 11:53
Hallo Michaela,
es tut mir leid, dass Sie als Kind diese Erfahrung gemacht haben. Kindern mit Liebesentzug zu drohen oder ihnen die Schuld für die Gefühle der Erwachsenen zu geben ist für sie sehr schlimm. Solch ein Verhalten Kindern gegenüber ist (gelinde gesagt) nicht gerade dienlich, sie darin zu unterstützen, ein gesundes Selbstwertgefühl zu entwickeln und sie zu unabhängigen erwachsenen Menschen reifen zu lassen.
Zum Glück können wir auch im Erwachsenenalter dazulernen, sodass es uns gelingen kann, alte ungute Prägungen zu verändern. Sicherlich nicht immer einfach, es bedarf Mut und die meist schmerzliche Erkenntnis, dass etwas im Argen liegt. Aber wahrscheinlich trotzdem auch sehr lohnend, sich immer wieder Stück für Stück ein wenig frei zu schwimmen – notfalls mithilfe eines passenden Therapeuten, mit dem man als Bezugsperson neue, heilsame Erfahrungen machen kann.
Oder was meinen Sie?
Viele Grüße
Michael Schramm
Kommentar von Michaela - 17. Mai 2019 um 12:03
Selbst heute im Erwachsenenalter muss ich feststellen, dass meine Schwestern das Verhalten unserer Mutter übernommen haben und mir gegenüber oftmals ebenso argumentieren. (Wenn – Dann) Das macht das hinzulernen von neuen, alternativen Möglichkeiten nicht gerade einfacher. In den letzten Jahren habe ich mit vielen Therapeuten, Psychologen und auch Psychiatern geredet und die Erfahrung machen dürfen, dass ich auch eine eigene Meinung haben darf. Dennoch fällt es mir immer noch schwer meinen eigenen Weg zu finden.
Kommentar von Michaela - 17. Mai 2019 um 19:02
Lieber Herr Schramm,
ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, dass bei mir das Zimmeraufräumen mit den Worten wenn – dann begann. Meine Mutter war schnell damit Verbote und Androhungen auszusprechen oder mir ein schlechtes Gewissen einzureden. Wenn ich etwas nicht machen würde, dann passiert etwas Negatives. Oftmals hieß es dann: „Mama hat dich dann nicht mehr lieb“ oder „Mama ist dann traurig“. Oder aber ich dürfte dann nicht spielen gehen oder kein Fernsehen gucken. Allerdings gab es keine Erklärung dafür warum ich etwas machen sollte – welchen Sinn es macht.
Ihre Michaela (Nachname aus Datenschutzgründen gelöscht)